Nach einem
ausgiebigen Frühstück sind Dottie, Brendan und ich gegen 12 Uhr von St. Peter’s
Bay losgefahren Richtung Bothwell. Das Dottie mich fährt, ist toll, denn trampen
wäre mit meinem um den Proviant für eine
Woche erweiterten Gepäck schwierig geworden. Da kommt doch einiges zusammen und
ich habe mich schon beschränkt, wo es ging. Ein paar Sachen darf ich auch noch
aus dem BnB mitnehmen – Kartoffeln, Tofu, Mandeln. Die Fahrt dauerte eine
knappe Stunde. Dottie bekam von mir zum Abschied einen „Held“-Button, den sie
sich sofort ansteckte. Zur im Feld gelegenen Yurte kommt man von der Straße
über eine Dirt Road, die sogar einen Namen hat. Und sogar die „Straße“ durch’s Gras
hat noch einen Namen. Ich finde die Straße kaum zumutbar zu fahren, aber alle
Kanadier, mit denen ich innerhalb dieser Woche noch hier lang fahren werde, sagen,
die wäre doch gar nicht mal so schlecht. Ich
würde das „Feldweg“ nennen und in Deutschland nicht mal auf die Idee kommen, da
mit dem Auto reinzufahren.
Als wir ankamen, saß Emma, auf dem Treppenabsatz am Eingang. Mit ihr werde ich hier die Woche verbringen. Ohne Gastgeber, nur wir zwei Wwooferinnen. Emma ist 21 und kommt aus Brüssel, studiert aber in Montreal Environmental Studies. Sie ist hergetrampt und am Vorabend angekommen. Melissa und Bruce, denen die Jurte gehört, sind nicht da. Sie wohnen in den USA und Melissa ist gerade mit ihrer Tochter im Urlaub, hat uns aber eine ausführliche E-Mail geschickt, was unsere Aufgaben sind und wie wir die Jurte hinterlassen sollen. Wenn sie nicht in der Jurte wohnen, vermieten sie sie. Es gibt die große Hauptjurte, in der sich zwei Betten, Wohn- und Esszimmer, Küche und Bad befinden und noch eine kleine Jurte, in der nur ein Bett und ein paar Kisten stehen.
Emma hat sich in der
kleinen einquartiert, sodass ich in der großen einziehe, was mir auch gut
passt. Anders als auf der Wwoof-Website beschrieben, ist das Wifi nicht „excellent“,
sondern nicht existent. Handynetz hab ich auch mal wieder nicht. Ich wandere
jetzt wohl von Funkloch zu Funkloch. Ich beschließe, eines der Fahrräder zu
nehmen und die Gegend zu erkunden und dabei hoffentlich auch irgendwo Wlan zu
finden, damit ich Mama die „Ich-bin-gut-angekommen“-Nachricht schicken kann. Außerdem
will ich schonmal testen, wie lange ich mit dem Fahrrad zur Kirche brauche – am
nächsten Tag ist ja Sonntag. Googlemaps meinte 10 Minuten mit dem Rad. Nachdem
gestern Nacht noch ein ziemliches Unwetter getobt hatte, ist es heute schön.
Der Wind ist zwar noch kühl, aber die Sonne scheint. Am Ende der McVane Farm
Lane biege ich auf dem Highway zuerst nach rechts ab. Es ist ziemlich hügelig
und ich entledige mich bald der äußersten Kleidungsschicht. Nach ca. 10 Minuten
komme ich an der South Lake Christian Church an. Hier ist der Gottesdienst um
11 Uhr. Ich gehe kurz rein und schaue mich um. Kein Wlan-Signal. Als ich
rausgehe, kommen gerade 3 Frauen an, die ich nach Wlan frage. Sie meinen, in
der anderen Kirche müsste es welches geben. Gut, da wollte ich jetzt sowieso
hin. Ich fahre also zurück und bin nach etwa 20 Minuten auf und ab an der
Kingsboro Baptist Church, wo ich auch morgen um 9.30 Uhr zum Gottesdienst gehen
will. Hier gibt es tatsächlich Wlan, sogar ein ungesichertes. Ich nehme mir ein
Andachtsheftchen für Juni – August von Our Daily Bread mit (denn ohne Wlan keine Losungen) und setze mich dann mit meinem Handy vor
die Kirche in die Sonne. Auf dem Rückweg halte ich bei Elliot’s Grocery &
pro Hardware, einem kleinen Convenient Store mit angegliederter Tankstelle („cheapest
gas on PEI“). Ich kaufe 4l Wasser (irgendwie kam nichts aus den Hähnen in der
Jurte), Cracker, Müsliriegel, eine Briefmarke und ein Eis, dann fahre ich
zurück zur Jurte.
Hochmut kommt
vor dem (Un)Fall
Weil der
Gasherd nicht funktioniert, müssen wir auf dem Holzofen kochen. Leider haben
uns die letzten Wwoofer nur große Scheite hinterlassen. Also sammle ich Stroh
und dünne Zweige und mache mich daran Holz zu hacken. Man weiß ja aus Filmen,
wie das geht. Ich schnappe mir die Axt, einen Block und ein Stück Holz und
fange an. Mit der Axt allein komme ich nicht so gut voran, weshalb ich noch den
Vorschlaghammer zuhilfe nehme, um die Axt ins Holz zu treiben. Also Block
aufstellen, Axt reinschlagen, mit dem Hammer draufhauen. Block gespalten. So
schaffe ich es, den Block in 4 Teile zu spalten. Ich fühle mich ziemlich toll
und lasse Emma Fotos von mir machen, als ich die zweite Hälfte nochmal
halbiere.
Das sollte für den ersten Abend reichen. Hätte ich es mal dabei
belassen. Aber morgen müssen wir ja auch kochen und wo ich schonmal dabei bin,
kann ich ja grad auch noch einen zweiten Block spalten. Ich kann das ja jetzt
so gut … Oder auch nicht. Als ich mich daran mache, die Axt mit dem Hammer in
den zweiten Block zu treiben, schaffe ich es nämlich irgendwie – ich weiß
selber nicht wie, denn mein Finger hatte da gar nichts zu suchen – meinen rechten
Zeigefinger dazwischen zu bekommen. Der Hammer trifft ihn im zweiten Glied auf
dem Knöchel, der sofort anfängt anzuschwellen und aus einem kleinen Schnitt zu
bluten. Schock. Erster Gedanke: „Hoffentlich ist er nicht gebrochen, ich will
nicht zum Arzt.“ Ich habe zwar eine gute Auslandskrankenversicherung, aber ich
muss sie nicht unbedingt in der Praxis testen. Außerdem habe ich keine Ahnung,
wo hier überhaupt der nächste Arzt, geschweige denn das nächste Krankenhaus,
ist. Ich bewege und betaste den Finger und es scheint, Gott sei Dank, nichts
gebrochen zu sein. Ich arbeite erstmal in einem Anflug von Leugnen weiter, bis
mir aufgeht, dass das wohl eine ziemlich dumme Idee ist. Also höre ich auf und
gehe rein. Emma war nachmittags in irgendwas reingetreten und hatte dabei im
Gefrierschrank eine gefrorene Wasserflasche gefunden, die sie mir jetzt zum
Kühlen gibt. Außerdem vermute ich, dass es gut ist, die Hand hoch zu halten, um
die Schwellung zu verringern. Das war’s wohl erstmal mit arbeiten. So ein Mist,
eine verletzte Hand kann ich natürlich grad gar nicht brauchen. Und auch noch
rechts. Hoffentlich kommt wieder alles in Ordnung, denn dieser Finger ist auch
für meine Musik ziemlich wichtig …
Weil ich ja jetzt nichts anderes mehr machen
kann, lege ich mich auf mein Bett und fange an „Anne of Avonlea“ zu lesen, den zweiten
Band der „Anne“-Reihe. Emma bringt in der Zeit das Feuer in Gang und dann
kochen wir Nudeln mit Tomaten-Paprika-Sauce (Emma ist praktischerweise auch
Vegetarierin). Mein erstes auf einem Holzofen gekochtes Essen. Ich schnibbele
so gut es geht mit, weil ich Emma nicht die ganze Arbeit überlassen will.
Spülen fällt wegen mangelnden fließenden Wassers aus.
Als es schon dunkel ist,
ruft Emma mich nochmal raus. Über eine Holztreppe gelangt man runter ans Wasser
und von dort kann man einen orangen Mond aufgehen sehen. Ich nutze das für
einige Fotos.
Der Mond ist aufgegangen. |
Als mir langsam kalt wird, gehe ich wieder rein und nehme mir aus
Emmas Jurte noch ein paar Decken mit. Weil ich Angst habe, durch den Holzofen
im Schlaf an einer Kohlenmonoxidvergiftung zu sterben (mir wird später erklärt,
dass das nicht passieren kann), lasse ich die Türen einen Spalt breit offen,
damit Sauerstoff reinkommt. Leider kommt damit auch Kälte rein, sodass ich
nachts trotz 5 Decken leicht friere. Bevor ich einschlafe, höre ich noch ein
Knistern. Auf der Suche nach der Ursache schrecke ich eine Maus in meiner
Einkaufstüte auf. Ich habe also eine Mitbewohnerin. Ich verstaue dann alles im
Ofen, der mir mäusesicher erscheint. Betonung auf "erscheint". Denn einen Tag später kommt mir morgens, als ich die Haferflocken holen will, mein Toast entgegengekrümelt. Was ich hier "Toast" nenne, nennen die Kanadier übrigens "bread". Toast ist hier nur Brot, das getoastet wurde, keine Art von Brot. Im Grunde ist alles, was hier Brot genannt wird, für mich Toast. Im Sinne von "muss vor dem Essen getoastet werden".
Sonntag ist
ein richtig guter Tag. Statt mit dem Fahrrad zu fahren, laufe ich zur Kirche.
Es sind gut 30 Minuten. Emma hatte gesagt, sie würde vielleicht mitkommen, aber
sie ist noch nicht wach, als ich losgehe. Ich werde schon während des
Gottesdienstes von anderen Gemeindemitgliedern angesprochen. Nach dem
Gottesdienst bleibe ich noch ein wenig sitzen, bis eine
Frau, Brenda, kommt und mich einlädt, doch auch einen Tee zu trinken. Dort komme
ich dann mit Gerty und Nancy ins Gespräch. Erstere lädt mich zur Bible Study
abends bei ihnen ein und organisiert mir auch direkt eine Mitfahrgelegenheit
bei Larissa. Sie selbst ist nicht mehr da, aber ich bespreche die Details mit
ihrer Mutter. Und Nancy fragt mich dann, ob ich schon weiß, was ich zum Lunch
mache und lädt mich dann zu sich ein. Sie und ihre Familie leben in Red
Point. Ihr Mann, Martin, ist Kartoffelbauer, sie Künstlerin. Sie haben 5 Kinder –
eine Tochter und vier Söhne, von denen drei noch zuhause leben. Zum Mittagessen
ist die ganze Familie versammelt mit Ausnahme der Tochter und eines Sohnes,
plus Martins Mutter und die Freundin eines Sohnes. Wir sind also zu acht. Das
Haus hat ein Grundstück am Wasser mit toller Aussicht. Es gibt Kartoffeln,
Salat, Brötchen, Hühnchen und Hamburger. Für mich Tomatensuppe. Und zum
Nachtisch Rhubarb pie. Alles ist sehr lecker und ich werde total nett in die
Familie integriert. Um 15 Uhr bringt mich Nancy dann zurück zur Jurte. Emma ist
recht beeindruckt von meinem Erlebnis. Ja, so kann ein Sonntag aussehen, wenn
man in eine gute Gemeinde geht. Es ist wunderbar, dieses Netzwerk zu haben und
so weit weg von zuhause immer wieder tolle Menschen und mit ihnen Familie und
ein Zuhause zu finden, wenn auch nur für kurze Zeit. Um 18 Uhr gabelt mich
Larissa unten an der Straße auf und wir fahren zusammen ca. eine Stunde zu
Gerty und ihrem holländischen Mann, Arie, bei denen die Bible Study stattfindet. Außer Gertie und ihrem Mann,
Larissa und mir, sind noch der junge Pastor, Alec, Nancys Sohn, Jonathan, und
noch ein junger Mann da. Wir besprechen Kolosser 1. Interessanterweise war die
Predigt von John letzten Sonntag unter anderem über diese Stelle. Es ist ein
wirklich guter Abend mit einer interessanten Diskussion. Gegen 21.30 Uhr fahren
wir wieder zurück mit Zwischenstop bei Nancy, wo ich Martins altes Handy
geschenkt bekomme (Praisebreak). Jetzt habe ich also auch ein kanadisches
Handy, in dem meine SIM-Karte funktioniert. Ich hatte nachmittags einfach mal
direkt gefragt, ob sie nicht zufällig noch ein altes Handy haben, das keiner
mehr braucht. Und haben sie. Sie mussten es nur noch finden. So gut, wie Gott
einfach besser versorgt, wenn man auf ihn vertraut. Ich hätte mir in Montreal
ein altes Klapphandy für 60$ kaufen können. Jetzt habe ich ein
Samsung-Smartphone umsonst. Der Akku schwächelt zwar extrem (weshalb sich
Martin auch ein neues gekauft hat), aber ansonsten ist es voll funktionsfähig
und erfüllt seinen Zweck. Mit dem Handy kann ich jetzt auch SMS schreiben und
empfangen (mit meiner deutschen SIM empfange ich sie, kann aber keine Antworten
rausschicken).
Bevor ich am
Montag so richtig entschieden habe, was ich mit dem Tag anfange, klopft es an
der Tür. Draußen steht Nancy, die sich erkundigt, wie es meinem Finger geht und
anbietet mich nach Souris zu Ron zu fahren, einem Arzt im Ruhestand aus der
Gemeinde, der 30 Jahre in Südafrika praktiziert hat. Er hat angeboten sich
meinen Finger anzuschauen und Nancy hat ihm versichert, dass sie nicht anfangen
wird sämtliche Verwandtschaft vorbeizubringen. Ron und seine Frau, Brenda, die ich
gestern schon kennengelernt habe, sind gerade dabei ihr mit Holzschindeln
verblendetes Haus zu streichen. Was für eine Arbeit. Sieht zwar auch hübsch
aus, aber da sind Ziegelsteine doch um einiges pflegeleichter. Ron schaut sich
den Finger an und betastet ihn. Er ist auch der Meinung, dass er wohl nicht
gebrochen ist. Mit Sicherheit könne man das aber nur mit einer Röntgenaufnahme
sagen. Ich solle weiter kühlen, die Hand hoch und die Wunde sauber halten. Es
könne aber durchaus 3-6 Wochen dauern, bis alles wieder ganz in Ordnung ist.
Nach einer Woche sollte man aber schon Verbesserungen sehen. Alles in allem
also gute Nachrichten. Und Gott sei Dank habe ich auch gar keine Schmerzen,
außer wenn ich irgendwo hängen bleibe oder den Finger anschlage. Von dort gehen
Nancy und ich zum Mittagessen zu „Evergreen“, wo sie mich auf ein Sandwich und
einen Smoothie einlädt.
Während wir warten, lernen wir Annie kennen, ich
schätze sie auf um die 70. Annie war eine Parish Nurse,
unter anderem lange bei den kanadischen First Nations. Sie empfiehlt mir den Finger zusätzlich mit dem Mittelfinger zusammenzutapen, um ihn zu stabilisieren. Nancy
stellt mich noch einigen Freundinnen vor, die vorbeikommen. Nach dem Essen
gehen wir in die Galerie „Artisans on Main“,
in der auch Nancy ihre Bilder ausstellt und verkauft. Angegliedert ist ein
kleines Café „Kim’s Café“. Kim schließt gerade, verkauft mir aber noch einen
Kaffee und einen Florentiner. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet, der den
Laden ausgebaut hat. Als Nächstes machen
wir einen Spaziergang am Strand von Souris. Den Namen hat der
1173-Einwohner-Ort übrigens von einer Feldmäuseplage im 18. Jahrhundert (souris
(frz.) = Maus). Man könnte es aber auch als Indikativ oder Imperativ Präsens
von „sourire“ (lächeln) verstehen: (je/tu) souris / Souris! = ich lächle/du
lächelst / Lächle! Ausgesprochen wird es aber englisch und klingt dann eher wie
„Surrey“.
Wir überholen eine Bekannte von
Nancy, die „sea glass“ sammelt, also vom Meer geschliffene Glasscherben. Die
kann man dann im Beutelchen für 2-3$ in den Tourishops kaufen. Nancy fragt
mich, was ich noch sehen möchte. Ich hatte vorgehabt mit dem Fahrrad nach
Souris und East Point zu fahren. Fahrradfahren geht jetzt nicht mehr, also East
Point, der östlichste Zipfel von PEI, wo der Northumberland Strait auf den Golf
of St. Lawrence trifft. Dort steht ein Leuchtturm mit Tourishop, in dem ich
zwei Aufnäher erwerbe – Kanada und PEI.
Auf dem Rückweg fahren wir noch bei
Nancys bester Freundin vorbei, der sie mich gern vorstellen möchte. Ich lasse
mich dann an der Gemeinde absetzen, um dort nochmal das Internet zu nutzen. Als
ich zurücklaufe, kann ich schon von Weitem sehen, dass Emma den Ofen angemacht
hat und so kann ich direkt meine Kartoffeln mit Baked Beans kochen.
Wir haben
inzwischen auch fließendes Wasser. Emma hat mit Bruce telefoniert und die Pumpe
war nur nicht eingeschaltet.
Dienstagmorgen
weckt mich ein Gewitter. Der Regen prasselt auf’s Dach und der Wind rüttelt an
der Plane. Ich springe auf, um das Stroh, die dünnen Äste und den Pflug aus
dem Regen zu holen und am Eingang unterzustellen. Durch den Wind wird im
Endeffekt aber auch da alles nass. Hätte ich auch liegen bleiben können. Um
kurz nach 9 Uhr klart es auf und Emma kommt zum Frühstück rüber. Ich bleibe
noch kurz im Bett liegen, da sie jetzt im Küchenbereich hantiert. Da klopft es
und plötzlich steht ein Mann um die 50 in der Jurte, der sich als Brian Griffin
vorstellt – wie der Hund von Family Guy (sagt er, ich hab die Serie noch nie
geschaut). Er habe mal nach uns sehen wollen, ob alles ok sei. Emma erzählt von
unserem Problem mit dem Gasherd. Er schaut ihn sich an und repariert ihn.
Scheinbar war er nur nicht richtig mit der Gasflasche verbunden. Heißer Tee zum
Frühstück, yippie :) Mir ist es zwar etwas unangenehm, dass dieser Fremde unangemeldet quasi in mein
Schlafzimmer spaziert kommt, während ich noch im Bett liege, aber es ist schon
nett von ihm vorbeizuschauen und er konnte uns ja auch tatsächlich helfen. Wir
waschen, ich lese und höre Musik (es gibt u.a. eine CD "Old German Favorites", die meiste Zeit höre ich aber die "Celtic Voices"). Später laufe ich zur Gemeinde, um wieder das
Wlan zu nutzen. Meine Kommunikation mit Melissa läuft ja über E-Mail. Auf dem
Weg stelle ich fest, dass ich schon bei Elliot’s Store Empfang habe. Zuerst war
die Gemeinde abgeschlossen, aber man hat auch draußen Empfang. Später kam eine
Frau und schloss auf. Ich kannte sie von Sonntag und sie erkundigt sich nach
meinem Finger. Er sieht schon besser aus. Wieder zurück in der Jurte koche ich
zusammen mit Emma ein Rote-Linsen-Möhren-Paprika-Curry mit Kokosmilch und
Kartoffeln. Beim Essen fängt sie
plötzlich an mich zum Christentum und zu meinem Glauben auszufragen. Sie ist
atheistisch aufgewachsen, interessiert sich aber in letzter Zeit immer mehr für
Spiritualität, worüber ich wiederum nichts weiß. Gar nicht so einfach, das
alles auf Französisch zu erklären, aber Gott kann ja zum Glück mit allem
arbeiten. Es ist ein gutes Gespräch. Und es gibt in der Spiritualität einige
Punkte, die man rüberbinden kann: Trennung vom Göttlichen und Ziel der Wiedervereinigung,
das Ego als trennendes Element. Das sind ja schonmal Grundideen. Was fehlt ist
natürlich der Glaube an einen persönlichen Gott, seine Liebe und Gnade und
unsere Errettung, wenn wir Jesus, der für unsere Sünde gestorben und
auferstanden ist, annehmen. In der Spiritualität muss die Wiedervereinigung wohl
aus eigener Kraft geschehen. Ich fange dann abends an „Loving God“ von Charles
Colson zu lesen, das ich zusammen mit einigen Ausgaben von Mosaic,
der Zeitschrift der Canadian Baptist Ministries, aus der Gemeinde mitgenommen
habe. In zwei davon geht es auch um Ernährung und Umwelt und ich lasse sie Emma
zum Lesen da.
Mittwoch und
Freitag mache ich nochmal zwei ca. 1,5 stündige Strandspaziergänge. Mittwoch
starte ich direkt bei der Jurte und laufe am Ufer und am wunderschön weißen, langen Strand entlang. Es war nur leider ziemlich windig und kalt.
Freitag laufe ich hinter Eliot’s Store runter zum fast menschenleeren Strand und von dort Richtung
Basin Head und zurück.
Mittwochabend gehe ich nach einem Abendessen mit Emma zur Bible Study in die Gemeinde. Geleitet wird die Study über Römer 5 von einem über 80-Jährigen. 7 der 10 Teilnehmer sind wohl über 60. Danach lädt mich Nancy noch auf einen Kaffee bei Tim Hortons in Souris, den wir im Auto am Strand trinken. Danach fährt sie mich nach Hause. Für Donnerstagabend lädt sie Emma und mich dann zu sich zum Dinner ein, samt Chauffeurservice, was wir gern annehmen haben. Es wird ein schöner (und leckerer) Abend. Die letzten Nächte friere ich leider wieder (laut Nancy war Frost angekündigt), bis ich noch einen Schlafsack unter die 5 Decken lege, durch die Jurte jogge, um warm zu werden, eine Wasserflasche mit warmem Wasser fülle und Fleece und Jacke anziehe. Ich hätte wohl auch den Holzofen anschmeißen können, aber irgendwie traue ich dem Ding nicht, auch wenn mir alle sagen, dass es sicher ist mit dem brennenden Ofen in einem Zimmer zu schlafen.
Arbeiten
konnte ich durch meinen Unfall ja nur eingeschränkt. Melissa habe ich per Mail
informiert und sie war sehr verständnisvoll. Ich tue aber, was ich kann und
sehe es als Training für meine linke Hand. Vor allem geht es darum, im
Gemüsegarten zu jäten. Dort haben die letzten Wwoofer verschiedene Sachen
angepflanzt. Am ersten Tag kann ich zwischen dem Unkraut nichts erkennen. Montag bringt eine Bekannte von Nancy ihren Mann vorbei, der sich auskennt, Salat und Erbsen entdeckt und anfängt die Reihen frei zu pflügen. Nach ein/zwei sonnigen Tagen entdecke ich dann auch einige weitere Sprösslinge: Rote Beete, Sonnenblumen und Mais. Emma pflügt, streicht und jätet und
ich jäte Mittwoch bis Freitag jeweils etwa 2 Stunden und gieße. Außerdem bereite ich das Feuerholz und Kleinholz für die
nächsten Gäste vor und sauge am Abend vor der Abreise die Jurte mit einer winzigen Tülle ...
Vorher. Leider habe ich das "Nachher"-Foto vergessen zu machen. |
Die Woche in
der Jurte hat mir wirklich gut gefallen. Im Grunde bietet die Jurte auf kleinem
Raum alles was man braucht, inklusive gewohntem Komfort mit fließendem Wasser, Küche
und Bad. Nur das Heizen mit dem Holzofen ist etwas umständlich, aber im Sommer
ja nicht notwendig. Es war etwas komisch, diesmal keine Gastgeber zu haben und
allein zu arbeiten, aber Nancy hat mir im Prinzip die Gastgeber ersetzt und mit
Emma habe ich mich auch gut verstanden und gute Gespräche gehabt. Ich bin wieder sehr nett in der Gemeinde aufgenommen worden und habe dort Menschen getroffen, die ein gutes Bild vom Christentum zeigen und für mich darin und in ihrer Gastfreundschaft Vorbilder sind. Im Prinzip war
es wie eine Woche Urlaub mit viel Zeit für Lesen und Musik. Und das kostenlos,
was eigentlich 750$ (ca. 500€) kostet, wenn man es als Urlauber mietet. Ebenfalls eine
empfehlenswerte Wwoof-Station und eine weitere schöne Woche auf meiner Reise!
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