Dienstag, 4. Juli 2017

A week in a yurt, Bothwell (Souris), PEI, 10. - 17. Juni

Weiter geht die Aufholjagd, ich nähere mich langsam der Gegenwart. Bevor ich anfange zu schreiben, muss ich die Details erstmal in meinem Tagebuch nachlesen...

Nach einem ausgiebigen Frühstück sind Dottie, Brendan und ich gegen 12 Uhr von St. Peter’s Bay losgefahren Richtung Bothwell. Das Dottie mich fährt, ist toll, denn trampen wäre mit meinem um den Proviant für eine Woche erweiterten Gepäck schwierig geworden. Da kommt doch einiges zusammen und ich habe mich schon beschränkt, wo es ging. Ein paar Sachen darf ich auch noch aus dem BnB mitnehmen – Kartoffeln, Tofu, Mandeln. Die Fahrt dauerte eine knappe Stunde. Dottie bekam von mir zum Abschied einen „Held“-Button, den sie sich sofort ansteckte. Zur im Feld gelegenen Yurte kommt man von der Straße über eine Dirt Road, die sogar einen Namen hat. Und sogar die „Straße“ durch’s Gras hat noch einen Namen. Ich finde die Straße kaum zumutbar zu fahren, aber alle Kanadier, mit denen ich innerhalb dieser Woche noch hier lang fahren werde, sagen, die wäre doch gar nicht mal so schlecht. Ich würde das „Feldweg“ nennen und in Deutschland nicht mal auf die Idee kommen, da mit dem Auto reinzufahren.


 

Als wir ankamen, saß Emma, auf dem Treppenabsatz am Eingang. Mit ihr werde ich hier die Woche verbringen. Ohne Gastgeber, nur wir zwei Wwooferinnen. Emma ist 21 und kommt aus Brüssel, studiert aber in Montreal Environmental Studies. Sie ist hergetrampt und am Vorabend angekommen. Melissa und Bruce, denen die Jurte gehört, sind nicht da. Sie wohnen in den USA und Melissa ist gerade mit ihrer Tochter im Urlaub, hat uns aber eine ausführliche E-Mail geschickt, was unsere Aufgaben sind und wie wir die Jurte hinterlassen sollen. Wenn sie nicht in der Jurte wohnen, vermieten sie sie. Es gibt die große Hauptjurte, in der sich zwei Betten, Wohn- und Esszimmer, Küche und Bad befinden und noch eine kleine Jurte, in der nur ein Bett und ein paar Kisten stehen. 


Emma hat sich in der kleinen einquartiert, sodass ich in der großen einziehe, was mir auch gut passt. Anders als auf der Wwoof-Website beschrieben, ist das Wifi nicht „excellent“, sondern nicht existent. Handynetz hab ich auch mal wieder nicht. Ich wandere jetzt wohl von Funkloch zu Funkloch. Ich beschließe, eines der Fahrräder zu nehmen und die Gegend zu erkunden und dabei hoffentlich auch irgendwo Wlan zu finden, damit ich Mama die „Ich-bin-gut-angekommen“-Nachricht schicken kann. Außerdem will ich schonmal testen, wie lange ich mit dem Fahrrad zur Kirche brauche – am nächsten Tag ist ja Sonntag. Googlemaps meinte 10 Minuten mit dem Rad. Nachdem gestern Nacht noch ein ziemliches Unwetter getobt hatte, ist es heute schön. Der Wind ist zwar noch kühl, aber die Sonne scheint. Am Ende der McVane Farm Lane biege ich auf dem Highway zuerst nach rechts ab. Es ist ziemlich hügelig und ich entledige mich bald der äußersten Kleidungsschicht. Nach ca. 10 Minuten komme ich an der South Lake Christian Church an. Hier ist der Gottesdienst um 11 Uhr. Ich gehe kurz rein und schaue mich um. Kein Wlan-Signal. Als ich rausgehe, kommen gerade 3 Frauen an, die ich nach Wlan frage. Sie meinen, in der anderen Kirche müsste es welches geben. Gut, da wollte ich jetzt sowieso hin. Ich fahre also zurück und bin nach etwa 20 Minuten auf und ab an der Kingsboro Baptist Church, wo ich auch morgen um 9.30 Uhr zum Gottesdienst gehen will. Hier gibt es tatsächlich Wlan, sogar ein ungesichertes. Ich nehme mir ein Andachtsheftchen für Juni – August von Our Daily Bread mit (denn ohne Wlan keine Losungen) und setze mich dann mit meinem Handy vor die Kirche in die Sonne. Auf dem Rückweg halte ich bei Elliot’s Grocery & pro Hardware, einem kleinen Convenient Store mit angegliederter Tankstelle („cheapest gas on PEI“). Ich kaufe 4l Wasser (irgendwie kam nichts aus den Hähnen in der Jurte), Cracker, Müsliriegel, eine Briefmarke und ein Eis, dann fahre ich zurück zur Jurte.



Hochmut kommt vor dem (Un)Fall

Weil der Gasherd nicht funktioniert, müssen wir auf dem Holzofen kochen. Leider haben uns die letzten Wwoofer nur große Scheite hinterlassen. Also sammle ich Stroh und dünne Zweige und mache mich daran Holz zu hacken. Man weiß ja aus Filmen, wie das geht. Ich schnappe mir die Axt, einen Block und ein Stück Holz und fange an. Mit der Axt allein komme ich nicht so gut voran, weshalb ich noch den Vorschlaghammer zuhilfe nehme, um die Axt ins Holz zu treiben. Also Block aufstellen, Axt reinschlagen, mit dem Hammer draufhauen. Block gespalten. So schaffe ich es, den Block in 4 Teile zu spalten. Ich fühle mich ziemlich toll und lasse Emma Fotos von mir machen, als ich die zweite Hälfte nochmal halbiere.


Das sollte für den ersten Abend reichen. Hätte ich es mal dabei belassen. Aber morgen müssen wir ja auch kochen und wo ich schonmal dabei bin, kann ich ja grad auch noch einen zweiten Block spalten. Ich kann das ja jetzt so gut … Oder auch nicht. Als ich mich daran mache, die Axt mit dem Hammer in den zweiten Block zu treiben, schaffe ich es nämlich irgendwie – ich weiß selber nicht wie, denn mein Finger hatte da gar nichts zu suchen – meinen rechten Zeigefinger dazwischen zu bekommen. Der Hammer trifft ihn im zweiten Glied auf dem Knöchel, der sofort anfängt anzuschwellen und aus einem kleinen Schnitt zu bluten. Schock. Erster Gedanke: „Hoffentlich ist er nicht gebrochen, ich will nicht zum Arzt.“ Ich habe zwar eine gute Auslandskrankenversicherung, aber ich muss sie nicht unbedingt in der Praxis testen. Außerdem habe ich keine Ahnung, wo hier überhaupt der nächste Arzt, geschweige denn das nächste Krankenhaus, ist. Ich bewege und betaste den Finger und es scheint, Gott sei Dank, nichts gebrochen zu sein. Ich arbeite erstmal in einem Anflug von Leugnen weiter, bis mir aufgeht, dass das wohl eine ziemlich dumme Idee ist. Also höre ich auf und gehe rein. Emma war nachmittags in irgendwas reingetreten und hatte dabei im Gefrierschrank eine gefrorene Wasserflasche gefunden, die sie mir jetzt zum Kühlen gibt. Außerdem vermute ich, dass es gut ist, die Hand hoch zu halten, um die Schwellung zu verringern. Das war’s wohl erstmal mit arbeiten. So ein Mist, eine verletzte Hand kann ich natürlich grad gar nicht brauchen. Und auch noch rechts. Hoffentlich kommt wieder alles in Ordnung, denn dieser Finger ist auch für meine Musik ziemlich wichtig …
Weil ich ja jetzt nichts anderes mehr machen kann, lege ich mich auf mein Bett und fange an „Anne of Avonlea“ zu lesen, den zweiten Band der „Anne“-Reihe. Emma bringt in der Zeit das Feuer in Gang und dann kochen wir Nudeln mit Tomaten-Paprika-Sauce (Emma ist praktischerweise auch Vegetarierin). Mein erstes auf einem Holzofen gekochtes Essen. Ich schnibbele so gut es geht mit, weil ich Emma nicht die ganze Arbeit überlassen will. Spülen fällt wegen mangelnden fließenden Wassers aus. 


Als es schon dunkel ist, ruft Emma mich nochmal raus. Über eine Holztreppe gelangt man runter ans Wasser und von dort kann man einen orangen Mond aufgehen sehen. Ich nutze das für einige Fotos.
Der Mond ist aufgegangen.







Als mir langsam kalt wird, gehe ich wieder rein und nehme mir aus Emmas Jurte noch ein paar Decken mit. Weil ich Angst habe, durch den Holzofen im Schlaf an einer Kohlenmonoxidvergiftung zu sterben (mir wird später erklärt, dass das nicht passieren kann), lasse ich die Türen einen Spalt breit offen, damit Sauerstoff reinkommt. Leider kommt damit auch Kälte rein, sodass ich nachts trotz 5 Decken leicht friere. Bevor ich einschlafe, höre ich noch ein Knistern. Auf der Suche nach der Ursache schrecke ich eine Maus in meiner Einkaufstüte auf. Ich habe also eine Mitbewohnerin. Ich verstaue dann alles im Ofen, der mir mäusesicher erscheint. Betonung auf "erscheint". Denn einen Tag später kommt mir morgens, als ich die Haferflocken holen will, mein Toast entgegengekrümelt. Was ich hier "Toast" nenne, nennen die Kanadier übrigens "bread". Toast ist hier nur Brot, das getoastet wurde, keine Art von Brot. Im Grunde ist alles, was hier Brot genannt wird, für mich Toast. Im Sinne von "muss vor dem Essen getoastet werden".


Sonntag ist ein richtig guter Tag. Statt mit dem Fahrrad zu fahren, laufe ich zur Kirche. Es sind gut 30 Minuten. Emma hatte gesagt, sie würde vielleicht mitkommen, aber sie ist noch nicht wach, als ich losgehe. Ich werde schon während des Gottesdienstes von anderen Gemeindemitgliedern angesprochen. Nach dem Gottesdienst bleibe ich noch ein wenig sitzen, bis eine Frau, Brenda, kommt und mich einlädt, doch auch einen Tee zu trinken. Dort komme ich dann mit Gerty und Nancy ins Gespräch. Erstere lädt mich zur Bible Study abends bei ihnen ein und organisiert mir auch direkt eine Mitfahrgelegenheit bei Larissa. Sie selbst ist nicht mehr da, aber ich bespreche die Details mit ihrer Mutter. Und Nancy fragt mich dann, ob ich schon weiß, was ich zum Lunch mache und lädt mich dann zu sich ein. Sie und ihre Familie leben in Red Point. Ihr Mann, Martin, ist Kartoffelbauer, sie Künstlerin. Sie haben 5 Kinder – eine Tochter und vier Söhne, von denen drei noch zuhause leben. Zum Mittagessen ist die ganze Familie versammelt mit Ausnahme der Tochter und eines Sohnes, plus Martins Mutter und die Freundin eines Sohnes. Wir sind also zu acht. Das Haus hat ein Grundstück am Wasser mit toller Aussicht. Es gibt Kartoffeln, Salat, Brötchen, Hühnchen und Hamburger. Für mich Tomatensuppe. Und zum Nachtisch Rhubarb pie. Alles ist sehr lecker und ich werde total nett in die Familie integriert. Um 15 Uhr bringt mich Nancy dann zurück zur Jurte. Emma ist recht beeindruckt von meinem Erlebnis. Ja, so kann ein Sonntag aussehen, wenn man in eine gute Gemeinde geht. Es ist wunderbar, dieses Netzwerk zu haben und so weit weg von zuhause immer wieder tolle Menschen und mit ihnen Familie und ein Zuhause zu finden, wenn auch nur für kurze Zeit. Um 18 Uhr gabelt mich Larissa unten an der Straße auf und wir fahren zusammen ca. eine Stunde zu Gerty und ihrem holländischen Mann, Arie, bei denen die Bible Study stattfindet. Außer Gertie und ihrem Mann, Larissa und mir, sind noch der junge Pastor, Alec, Nancys Sohn, Jonathan, und noch ein junger Mann da. Wir besprechen Kolosser 1. Interessanterweise war die Predigt von John letzten Sonntag unter anderem über diese Stelle. Es ist ein wirklich guter Abend mit einer interessanten Diskussion. Gegen 21.30 Uhr fahren wir wieder zurück mit Zwischenstop bei Nancy, wo ich Martins altes Handy geschenkt bekomme (Praisebreak). Jetzt habe ich also auch ein kanadisches Handy, in dem meine SIM-Karte funktioniert. Ich hatte nachmittags einfach mal direkt gefragt, ob sie nicht zufällig noch ein altes Handy haben, das keiner mehr braucht. Und haben sie. Sie mussten es nur noch finden. So gut, wie Gott einfach besser versorgt, wenn man auf ihn vertraut. Ich hätte mir in Montreal ein altes Klapphandy für 60$ kaufen können. Jetzt habe ich ein Samsung-Smartphone umsonst. Der Akku schwächelt zwar extrem (weshalb sich Martin auch ein neues gekauft hat), aber ansonsten ist es voll funktionsfähig und erfüllt seinen Zweck. Mit dem Handy kann ich jetzt auch SMS schreiben und empfangen (mit meiner deutschen SIM empfange ich sie, kann aber keine Antworten rausschicken). 

Bevor ich am Montag so richtig entschieden habe, was ich mit dem Tag anfange, klopft es an der Tür. Draußen steht Nancy, die sich erkundigt, wie es meinem Finger geht und anbietet mich nach Souris zu Ron zu fahren, einem Arzt im Ruhestand aus der Gemeinde, der 30 Jahre in Südafrika praktiziert hat. Er hat angeboten sich meinen Finger anzuschauen und Nancy hat ihm versichert, dass sie nicht anfangen wird sämtliche Verwandtschaft vorbeizubringen. Ron und seine Frau, Brenda, die ich gestern schon kennengelernt habe, sind gerade dabei ihr mit Holzschindeln verblendetes Haus zu streichen. Was für eine Arbeit. Sieht zwar auch hübsch aus, aber da sind Ziegelsteine doch um einiges pflegeleichter. Ron schaut sich den Finger an und betastet ihn. Er ist auch der Meinung, dass er wohl nicht gebrochen ist. Mit Sicherheit könne man das aber nur mit einer Röntgenaufnahme sagen. Ich solle weiter kühlen, die Hand hoch und die Wunde sauber halten. Es könne aber durchaus 3-6 Wochen dauern, bis alles wieder ganz in Ordnung ist. Nach einer Woche sollte man aber schon Verbesserungen sehen. Alles in allem also gute Nachrichten. Und Gott sei Dank habe ich auch gar keine Schmerzen, außer wenn ich irgendwo hängen bleibe oder den Finger anschlage. Von dort gehen Nancy und ich zum Mittagessen zu „Evergreen“, wo sie mich auf ein Sandwich und einen Smoothie einlädt. 


Während wir warten, lernen wir Annie kennen, ich schätze sie auf um die 70. Annie war eine Parish Nurse, unter anderem lange bei den kanadischen First Nations. Sie empfiehlt mir den Finger zusätzlich mit dem Mittelfinger zusammenzutapen, um ihn zu stabilisieren. Nancy stellt mich noch einigen Freundinnen vor, die vorbeikommen. Nach dem Essen gehen wir in die Galerie „Artisans on Main“, in der auch Nancy ihre Bilder ausstellt und verkauft. Angegliedert ist ein kleines Café „Kim’s Café“. Kim schließt gerade, verkauft mir aber noch einen Kaffee und einen Florentiner. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet, der den Laden ausgebaut hat. Als Nächstes machen wir einen Spaziergang am Strand von Souris. Den Namen hat der 1173-Einwohner-Ort übrigens von einer Feldmäuseplage im 18. Jahrhundert (souris (frz.) = Maus). Man könnte es aber auch als Indikativ oder Imperativ Präsens von „sourire“ (lächeln) verstehen: (je/tu) souris / Souris! = ich lächle/du lächelst / Lächle! Ausgesprochen wird es aber englisch und klingt dann eher wie „Surrey“. 





Wir überholen eine Bekannte von Nancy, die „sea glass“ sammelt, also vom Meer geschliffene Glasscherben. Die kann man dann im Beutelchen für 2-3$ in den Tourishops kaufen. Nancy fragt mich, was ich noch sehen möchte. Ich hatte vorgehabt mit dem Fahrrad nach Souris und East Point zu fahren. Fahrradfahren geht jetzt nicht mehr, also East Point, der östlichste Zipfel von PEI, wo der Northumberland Strait auf den Golf of St. Lawrence trifft. Dort steht ein Leuchtturm mit Tourishop, in dem ich zwei Aufnäher erwerbe – Kanada und PEI.



Auf dem Rückweg fahren wir noch bei Nancys bester Freundin vorbei, der sie mich gern vorstellen möchte. Ich lasse mich dann an der Gemeinde absetzen, um dort nochmal das Internet zu nutzen. Als ich zurücklaufe, kann ich schon von Weitem sehen, dass Emma den Ofen angemacht hat und so kann ich direkt meine Kartoffeln mit Baked Beans kochen.
Wir haben inzwischen auch fließendes Wasser. Emma hat mit Bruce telefoniert und die Pumpe war nur nicht eingeschaltet.

Dienstagmorgen weckt mich ein Gewitter. Der Regen prasselt auf’s Dach und der Wind rüttelt an der Plane. Ich springe auf, um das Stroh, die dünnen Äste und den Pflug aus dem Regen zu holen und am Eingang unterzustellen. Durch den Wind wird im Endeffekt aber auch da alles nass. Hätte ich auch liegen bleiben können. Um kurz nach 9 Uhr klart es auf und Emma kommt zum Frühstück rüber. Ich bleibe noch kurz im Bett liegen, da sie jetzt im Küchenbereich hantiert. Da klopft es und plötzlich steht ein Mann um die 50 in der Jurte, der sich als Brian Griffin vorstellt – wie der Hund von Family Guy (sagt er, ich hab die Serie noch nie geschaut). Er habe mal nach uns sehen wollen, ob alles ok sei. Emma erzählt von unserem Problem mit dem Gasherd. Er schaut ihn sich an und repariert ihn. Scheinbar war er nur nicht richtig mit der Gasflasche verbunden. Heißer Tee zum Frühstück, yippie :) Mir ist es zwar etwas unangenehm, dass dieser Fremde unangemeldet quasi in mein Schlafzimmer spaziert kommt, während ich noch im Bett liege, aber es ist schon nett von ihm vorbeizuschauen und er konnte uns ja auch tatsächlich helfen. Wir waschen, ich lese und höre Musik (es gibt u.a. eine CD "Old German Favorites", die meiste Zeit höre ich aber die "Celtic Voices"). Später laufe ich zur Gemeinde, um wieder das Wlan zu nutzen. Meine Kommunikation mit Melissa läuft ja über E-Mail. Auf dem Weg stelle ich fest, dass ich schon bei Elliot’s Store Empfang habe. Zuerst war die Gemeinde abgeschlossen, aber man hat auch draußen Empfang. Später kam eine Frau und schloss auf. Ich kannte sie von Sonntag und sie erkundigt sich nach meinem Finger. Er sieht schon besser aus. Wieder zurück in der Jurte koche ich zusammen mit Emma ein Rote-Linsen-Möhren-Paprika-Curry mit Kokosmilch und Kartoffeln. Beim Essen fängt sie plötzlich an mich zum Christentum und zu meinem Glauben auszufragen. Sie ist atheistisch aufgewachsen, interessiert sich aber in letzter Zeit immer mehr für Spiritualität, worüber ich wiederum nichts weiß. Gar nicht so einfach, das alles auf Französisch zu erklären, aber Gott kann ja zum Glück mit allem arbeiten. Es ist ein gutes Gespräch. Und es gibt in der Spiritualität einige Punkte, die man rüberbinden kann: Trennung vom Göttlichen und Ziel der Wiedervereinigung, das Ego als trennendes Element. Das sind ja schonmal Grundideen. Was fehlt ist natürlich der Glaube an einen persönlichen Gott, seine Liebe und Gnade und unsere Errettung, wenn wir Jesus, der für unsere Sünde gestorben und auferstanden ist, annehmen. In der Spiritualität muss die Wiedervereinigung wohl aus eigener Kraft geschehen. Ich fange dann abends an „Loving God“ von Charles Colson zu lesen, das ich zusammen mit einigen Ausgaben von Mosaic, der Zeitschrift der Canadian Baptist Ministries, aus der Gemeinde mitgenommen habe. In zwei davon geht es auch um Ernährung und Umwelt und ich lasse sie Emma zum Lesen da. 

Mittwoch und Freitag mache ich nochmal zwei ca. 1,5 stündige Strandspaziergänge. Mittwoch starte ich direkt bei der Jurte und laufe am Ufer und am wunderschön weißen, langen Strand entlang. Es war nur leider ziemlich windig und kalt.










Freitag laufe ich hinter Eliot’s Store runter zum fast menschenleeren Strand und von dort Richtung Basin Head und zurück.







Mittwochabend gehe ich nach einem Abendessen mit Emma zur Bible Study in die Gemeinde. Geleitet wird die Study über Römer 5 von einem über 80-Jährigen. 7 der 10 Teilnehmer sind wohl über 60. Danach lädt mich Nancy noch auf einen Kaffee bei Tim Hortons in Souris, den wir im Auto am Strand trinken. Danach fährt sie mich nach Hause. Für Donnerstagabend lädt sie Emma und mich dann zu sich zum Dinner ein, samt Chauffeurservice, was wir gern annehmen haben. Es wird ein schöner (und leckerer) Abend. Die letzten Nächte friere ich leider wieder (laut Nancy war Frost angekündigt), bis ich noch einen Schlafsack unter die 5 Decken lege, durch die Jurte jogge, um warm zu werden, eine Wasserflasche mit warmem Wasser fülle und Fleece und Jacke anziehe. Ich hätte wohl auch den Holzofen anschmeißen können, aber irgendwie traue ich dem Ding nicht, auch wenn mir alle sagen, dass es sicher ist mit dem brennenden Ofen in einem Zimmer zu schlafen.

Arbeiten konnte ich durch meinen Unfall ja nur eingeschränkt. Melissa habe ich per Mail informiert und sie war sehr verständnisvoll. Ich tue aber, was ich kann und sehe es als Training für meine linke Hand. Vor allem geht es darum, im Gemüsegarten zu jäten. Dort haben die letzten Wwoofer verschiedene Sachen angepflanzt. Am ersten Tag kann ich zwischen dem Unkraut nichts erkennen. Montag bringt eine Bekannte von Nancy ihren Mann vorbei, der sich auskennt, Salat und Erbsen entdeckt und anfängt die Reihen frei zu pflügen. Nach ein/zwei sonnigen Tagen entdecke ich dann auch einige weitere Sprösslinge: Rote Beete, Sonnenblumen und Mais. Emma pflügt, streicht und jätet und ich jäte Mittwoch bis Freitag jeweils etwa 2 Stunden und gieße. Außerdem bereite ich das Feuerholz und Kleinholz für die nächsten Gäste vor und sauge am Abend vor der Abreise die Jurte mit einer winzigen Tülle ... 

Vorher. Leider habe ich das "Nachher"-Foto vergessen zu machen.
Die Woche in der Jurte hat mir wirklich gut gefallen. Im Grunde bietet die Jurte auf kleinem Raum alles was man braucht, inklusive gewohntem Komfort mit fließendem Wasser, Küche und Bad. Nur das Heizen mit dem Holzofen ist etwas umständlich, aber im Sommer ja nicht notwendig. Es war etwas komisch, diesmal keine Gastgeber zu haben und allein zu arbeiten, aber Nancy hat mir im Prinzip die Gastgeber ersetzt und mit Emma habe ich mich auch gut verstanden und gute Gespräche gehabt. Ich bin wieder sehr nett in der Gemeinde aufgenommen worden und habe dort Menschen getroffen, die ein gutes Bild vom Christentum zeigen und für mich darin und in ihrer Gastfreundschaft Vorbilder sind. Im Prinzip war es wie eine Woche Urlaub mit viel Zeit für Lesen und Musik. Und das kostenlos, was eigentlich 750$ (ca. 500€) kostet, wenn man es als Urlauber mietet. Ebenfalls eine empfehlenswerte Wwoof-Station und eine weitere schöne Woche auf meiner Reise!

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