Freitag, 22. September 2017

Mountain Meadow Farm, near St. Ann's, Cape Breton, 19. - 29. Juli

Angefangen habe ich diesen Post vor 3 Wochen s.u., jetzt ist er endlich vollendet. 

Zuerst wieder das aktuelle Update: Nach einer Woche in Pont Rouge und einem Tag in Québec City bin ich heute mit dem Bus nach Montreal zum Flughafen gefahren. Hier sitze ich jetzt bei YUL Pizza und warte auf das Boarding um 15.25 Uhr (gerade ist es 13.53 Uhr). Irgendwie ist es schon verrückt, wenn ich mir vorstelle, dass ich hier vor 108 Tagen angekommen bin und das meine Wwoofing-Zeit jetzt schon vorbei ist … Springen wir aber erstmal zurück in den Juli zu meiner 8. Station.

Am 19. habe ich mal wieder alle meine Sachen zusammengepackt und bin mit Linda zum Markt gefahren, wo Sue mich abholen sollte. Ich habe ihr und einer anderen Verkäuferin geholfen aufzubauen und bin dann ein letztes Mal durch Baddeck spaziert, habe mein Geburtstagsgeschenk von meiner Schwester bei der Post abgeholt und bei Iced Latte und Muffin im „Bean There“-Café Postkarten an meine Omas geschrieben. 


Außerdem war ich im Drugstore, um mir parfümfreies Shampoo und Creme zu kaufen. Probleme mit und negative Reaktionen auf parfümierte Produkte (Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel …) scheinen hier verbreiteter (oder bekannter) zu sein, als bei uns. Selbst an manchen öffentlichen Orten wird darauf hingewiesen, man möge doch auf die Benutzung parfümierter Produkte verzichten. Drei meiner Gastgeberinnen haben ein parfümfreies Haus, Sue ist davon die zweite.

Zurück auf dem Markt treffe ich nicht auf Sue, sondern auf ein kanadisches Pärchen, Lexy und Josh, die gerade auch bei Sue wwoofen und beauftragt worden sind mich abzuholen. Sie sind Mitte 20 – er Personal Trainer und Profi-Volleyballer, sie hat Kunst, Design und Architektur studiert und arbeitet an der Erhaltung von Gebäuden. Auf dem Weg zurück fahren wir noch schnell beim Big Hill Retreat vorbei, wo ich ihnen die Cabins zeige. Die Mountain Meadow Farm liegt recht abgelegen an der Meadow Road in der Nähe von St. Ann’s.










Sue sehe ich nur im Vorbeifahren, weshalb Josh und vor allem Lexy mir alles im und ums Haus erklären. Was vielleicht nicht so gut war, weil ich erstmal den Eindruck habe in ein irgendwie feindseliges Umfeld mit Aufgaben, die ich nicht unbedingt machen will, geraten zu sein: Die Ziege versucht dich mit den Hörnern zu rammen, du gehst mit ihr zweimal täglich spazieren. Die Pferde beißen, du mistest den Stall aus und bürstest sie. Da könnte ich mir doch auf Anhieb Schöneres vorstellen. Für heute bin ich nur damit beauftragt Holz zu stapeln, was ich dann für 30min mache, bevor mein Handgelenk und mein Finger sich melden. Um 17 Uhr begleite ich Lexy zur ersten Füttertour: Hunde, Katze, Ziege. Die Pferde sorgen sich selbst, bei ihnen muss man nur nach dem Wasser schauen. Danach fahren wir dann zum North River zum Baden. 



Es hat schon länger nicht geregnet und Sue hat Angst, dass ihre Quelle versiegt, weshalb Wassersparen angesagt ist. Geduscht wird nur wenn unbedingt nötig und kurz und auch beim Spülen wird Wasser gespart. Lexy sagt, wenn ich nicht sparsam genug bin, wird Sue mich anschreien. Ich sage, wenn sie mich anschreit, weine ich. Das kann ja lustig werden. Ich erfahre, dass ich mir – anders als bisher gewohnt – alle Mahlzeiten selber vorbereiten werde, die Zutaten stehen im (Kühl-)Schrank und wachsen im Garten. Zum Glück ist kreative Küche mit dem, was grad da ist, meine Spezialität. Am ersten Abend gibt’s Quinoa mit Zucchini, Erbsen und Spinat, wobei das Gemüse alles aus dem Garten kommt. Lexy und Josh kochen separat. Sie haben eine recht spezielle Ernährung mit lauter Superfoods… Im Laufe der Woche probiere ich noch verschiedene andere Kombinationen aus. Ich esse Rote Bete roh (super lecker und hübsch) und verwende die Blätter (beet greens) wie Spinat oder Mangold. Ebenfalls sehr lecker. 


Nach dem Essen gehen wir auf Schneckenpatrouille. Mit Handschuhen ist es ok, die Schnecken abzusammeln und in den Eimer zu werfen und zu dritt sind wir auch relativ schnell fertig. Dann lerne ich auch Sue kennen. Sie ist anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Schon interessant, wie man sich so sein Bild macht von Menschen und wie wenig es dann manchmal mit der Realität übereinstimmt. Ich hatte mir irgendwie eine ältliche, freundliche Lady vorgestellt. Sie ist eine energische Powerfrau, die hart arbeitet – neben der Farm abends noch in einer Restaurantküche. Dementsprechend erwartet sie auch viel von ihren Wwoofern. 

Mein erster voller Tag auf der Mountain Meadow Farm ist eine Herausforderung. Mein Wecker klingelt um 6 Uhr, weil es ja um 6.30 Uhr losgeht. Am ersten Morgen auf der Farm kann ich mir die Arbeit noch mit Josh und Lexy teilen, danach mache ich alles alleine, was natürlich entsprechend länger dauert. Die Morgenroutine sieht folgendermaßen aus: Die Hunde, Molly und Lucy, füttern, dabei aufpassen, dass die gefräßige Molly der eher selten fressenden Lucy nicht das Futter klaut und ggf. frisches Wasser geben. 



Futter für die Ziege, Boudicca Buttercelli Jostle, aus dem Kühlschrank und aus dem Garten zusammenstellen. Besonders gern mag sie Bananenschalen, Sellerie und Pfefferminz. Ggf. frisches Wasser holen.


Futter für Samson den Kater. Er hat sein Wasser gern frisch und kalt.


Wasser für Buddy, das Pferd. Sein Kumpel, Nemo, versorgt sich selbst. 


Dann den Schneckeneimer holen und die schleimigen Tiere absammeln. Danach, so zwischen 7 und 7.15 Uhr macht sich dann jeder sein Frühstück und Sue kommt dazu. Zwischen 8 und 8.30 Uhr beginnt dann der Arbeitstag bis zum Mittagessen ab 12 Uhr. Als erstes gießen wir im Gewächshaus und im Garten. Dann sortieren wir Holzabfälle für ein Hugo-Bed. Sue transportiert es mit dem Traktor in den Garten. Ich miste Buddys Box aus. Währenddessen sagt Sue, das müsste schneller gehen. Ich habe dummerweise vergessen, Sue im Vorfeld zu sagen, dass mein Finger immer noch nur uneingeschränkt einsatzfähig ist. Bisher hatte ich meine Gastgeber immer vorgewarnt. Das hole ich also jetzt nach und sage ihr, ich müsse mit dem Finger leider noch ein wenig aufpassen. Sie ist über die Information nicht sonderlich erfreut. Wenn ich nicht 100% arbeiten könne, wäre ich hier vielleicht falsch, das sei eine Farm und da gäbe es viel körperliche Arbeit. Dann müsste ich eben länger arbeiten. Als hätte ich mir das ausgesucht, mich zwischendurch zu verletzen. Ich tue ja, was ich kann, aber ich will die Heilung auch nicht gefährden. Ich bin frustriert. Weil ich nicht so arbeiten kann, wie ich will und weil Sue offenbar unzufrieden mit mir ist. Da müssen wir uns wohl noch arrangieren. Dann attackiert mich auch noch die Ziege, als wir mit ihr spazieren gehen wollen. Ich warte auf Lexy und die Ziege versucht mich mit den Hörnern zu rammen und steigt. Das ist ganz schön beängstigend. Mir wurde nur gesagt, ich solle zurückschubsen und sie anspucken … hilft irgendwie nicht. Also das Schubsen. Dann ruft Sue aus dem Fenster, ich solle einfach weitergehen. Ich will ihr eigentlich nicht den Rücken zudrehen. Ich hab einen großen blauen Fleck am Oberschenkel, wo sie mich mit den Hörnern erwischt hat. 

Das war jetzt zu viel. Ich fange an zu weinen. Ich bin echt frustriert, die Attacke hat mich erschreckt und ich habe keine Lust, das die nächsten Tage so weiterzumachen. In der Beschreibung klang es so, als wären die Spaziergänge mit der Ziege eine Freizeitbeschäftigung, die man machen kann, wenn man Lust dazu hat, nicht Pflichtaufgabe zweimal am Tag 30 und 20 Minuten. Mit Sue muss ich wohl nochmal reden. Ich nehme mir vor, zu schauen, wie die ersten ein/zwei Tage laufen, um mir und ihr eine Chance zu geben und dann weiterzusehen. Denn entweder ich helfe ihr so gut ich mit meinem Finger kann, der leider immer noch geschwollen ist und bei Überbelastung weh tut oder wenn ihr das nicht reicht, muss ich halt gehen und dann hat sie gar keine Hilfe. Ich vermute, dass ich zurück zum Big Hill Retreat könnte, denn denen sind ihre nächsten Wwoofer spontan abgesprungen. Um 11.30 Uhr machen wir Schluss und essen zu Mittag. Wir machen heute einen kurzen Tag, weil das Wetter so gut ist und Sue mit uns zum Strand will. Sie fährt vor und wir etwas später hinterher – Lexy und Josh haben ein Auto. Ich lege mich an den Strand und schlafe erstmal. 


Etwas später gehe ich auch noch ins Wasser (wenn auch nur bis zum Bauch) und lese dann. An Strand und Sonnenbaden denkt man nicht als Erstes, wenn man an Kanada denkt. Aber an der Ostküste gibt es wirklich viele Strände. An der Westküste natürlich auch, aber da bin ich ja grad nicht. Um 17.30 Uhr sind wir zurück – die Tiere warten schon auf die Fütterung. Wenn man Tiere hat, ist man schon sehr gebunden, denn sie wollen ja jeden Tag zu bestimmten Uhrzeiten gefüttert werden. Nach einem kleinen Snack gehen Lexy, Josh und ich dann mit den Hunden in den Wald, um Pfifferlinge zu suchen. Ich finde die ersten. Erst sind sie nur sehr sporadisch, aber am Ende finden wir richtig viele, sodass der Korb recht voll wird. Dann müssen wir auch schon wieder Schnecken sammeln, bevor es zu dunkel wird. Das Abendessen wird spät, weil die Vorbereitung der kleinen Pfifferlinge viel Zeit in Anspruch nimmt, aber es lohnt sich. Lexy und Josh tun sie in ihren Salat, ich schmeiße sie zusammen mit Zwiebeln, Erbsen, Nudeln und Spinat in die Pfanne. 



Ich setze mich noch an Sues Laptop (es gibt hier kein Wifi) und eine Maus, die hier wohl wohnt, schaut mich neugierig an. Sie wundert sich wohl, was ich in ihrem Wohnzimmer will. Ich überlege, ob ich sie an Sue verrate und meine Loyalität zu Sue siegt über die Befürchtung damit das Todesurteil der Maus zu sprechen. Aber Sue ist es egal und die Maus darf weiterleben.

 

Der zweite Tag verläuft ähnlich wie der erste, nur dass ich jetzt alles allein mache. Morning routine, Frühstück, Basilikum aus dem Gewächshaus auf die Terrasse stellen, Wasser mit einem Eimer am Seil aus der Quelle schöpfen  und in die 6 Gießkannen füllen. Terrassenpflanzen und Garten gießen. Nemos Box ausmisten. 3 Eimer Pferdeäpfel. Ich glaube immer mehr, dass ich mal keine Tiere haben will. Gut, dass ich das erst ausprobiert habe. Ich mag Tiere genug, um nicht zu wollen, dass sie leiden und um sie nicht zu essen, aber doch nicht so sehr, dass ich mich ständig um sie kümmern will. Außerdem machen sie unflexibel und verursachen teilweise hohe Kosten. Ich habe ausgerechnet, dass man wohl entweder einen Hund halten kann oder für das Geld im Jahr drei Patenkinder im Jahr unterstützen kann (ausgehend von 30€/Kind/Monat). Ich sehe zwar inzwischen auch durchaus, warum man einen Hund oder eine Katze haben will. Mit manchen dieser tierischen Mitbewohner habe ich mich über die Zeit auch angefreundet. Aber von den Prioritäten würde ich dann das Geld doch wohl lieber anders investieren. Dann gehe ich zum ersten Mal allein mit Boudicca spazieren. Ich nutze die 30 Minuten auch zum singen und beten. Außerdem rede ich mit der Ziege. Es klappt ganz gut, aber zurück im Stall versucht sie mich wieder zu rammen. Um 10 Uhr bin ich zurück im Haus. Mein linkes Auge ist von einem Blackfly-Biss auf dem Augenlid halb zugeschwollen. Um 13.15 Uhr geht es weiter, Sue und ich graben die Abläufe in der Zufahrt nach. Dann schickt sie mich von 14-16.30 Uhr zum Sortieren in die Scheune. Sie will im August einen Garagesale machen und dafür muss dort alles ausgemistet, sortiert und präsentiert werden. So viel Zeug … bei der Hälfte der Sachen weiß ich nichtmal, was es ist. 



Danach geht es quasi non-stop weiter mit dem zweitem goat walk. Ich bin etwas irritiert, weil ich dachte, ich hätte schon die geforderte Zeit gearbeitet. Im Profil stand 4h/Tag. Vor Ort erfahre ich dann, dass es 4h am Tag plus daily chores (Tiere füttern morgens um 6.30 Uhr und danach im Garten Nachtschnecken absammeln „slug patrol“ sowie nochmal füttern um 17 Uhr und Schnecken suchen bei Sonnenuntergang), was je nach Schneckenaufkommen auf beinahe 6h am Tag herausläuft. Außerdem war ich von 5 Tagen die Woche ausgegangen, weil das die generelle Wwoofing-Angabe ist und es auch bisher bei allen meinen Gastgebern so war. Da sei ja jede Farm anders, sagt Sue, und hier wären es eben 7 Tage die Woche. Ich sage, dass ich Sonntag nur ungern arbeiten möchte, abgesehen von morning und evening routine – die Tiere wollen ja auch sonntags was fressen – womit sie einverstanden ist. Sie bietet dann auch an, dass ich mit ihr in die Kirche gehen kann. Außerdem sagt sie, ich sei ein „slow worker“ und müsse daher ggf. länger arbeiten, weil die Arbeiten ja erledigt werden müssen. Das höre ich nicht gerne und überlege, wie sie zu dem Eindruck kommt. Ich weiß, dass ich vielleicht nicht immer die enthusiastischste Arbeiterin bin, aber das hat bisher noch niemand über mich gesagt und ich gebe mir auch immer müde. „Slow“ heißt für mich „widerwillig“. Ich überlege dann, dass sie vielleicht „slow“ nennt, was ich „thorough“ nennen würde. Das spreche ich dann abends nochmal an, als Sue vom Fluss zurückkommt. Ich bitte sie um Gründlichkeitsanweisungen. Wenn ich nicht gesagt bekomme, wie ich es machen soll, mache ich es sehr gründlich, was natürlich länger dauert und dadurch evtl. den Eindruck erwecken kann, ich sei langsam. Ich denke, jetzt verstehen wir uns schon besser. Hier bin ich definitiv zum ersten Mal richtig herausgefordert. Vor allem auch in klarer Kommunikation. Am Anfang hätte ich am liebsten direkt alles hingeschmissen, aber das erlaube ich mir nicht. Schließlich wollte ich Herausforderung und daran wächst man im besten Fall am meisten und kann neue Seiten an sich kennenlernen. Augen auf und durch.
Samstag ist der erste richtige Arbeitstag. Ich brauche für die Morgenroutine eine Stunde, weil es heute richtig viele Schnecken sind. Für’s Frühstück setzen Sue und ich uns auf die Terrasse in die Sonne. Dabei erzählt sie von der Farm (Jahr 1850), wie es hier in der Gegend früher war und dass heute kaum noch jemand farmt. Sie seit dem Tod ihres Mannes vor 8 Jahren ja auch nicht mehr. Sie hatten einen Bio-Gemüsehof, bis er mit 64 plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben ist. Sue hat Teile ihrer Kindheit in Burundi verbracht, weil ihr Vater für die UN arbeitete. Um 8.30 Uhr geht es los mit Gießen, allerdings nur der überdachte Terrassenteil, weil es nachts gewittert hat. Danach bringt Sue mir Knochenmehl, damit ich es als Dünger um die Zwiebeln streue, die keine Knolle bilden. Erst will ich es nicht anfassen, beschließe aber dann, guten Willen zu demonstrieren und mich nicht so anzustellen. Knochenmehl (und Blutmehl) ist also ein bewährter Bio-Dünger. Und Mist natürlich auch. Da wird mir zum ersten Mal so richtig klar, dass der (Bio-)Gemüseanbau ja auch von Tierhaltung profitiert. Das wirft natürlich die Frage auf, wie vegan Gemüse ist. Ich frage mich, ob Veganer, die gegen Tierhaltung generell sind, das bedenken. Ich hatte es bisher jedenfalls nicht bedacht. Danach geht es im Stall weiter mit Pferdeäpfel schippen, was mir heute schon nichts mehr ausmacht. Nemo scheint sich an mich zu gewöhnen und ist ganz brav. Auch Boudicca scheint mich als Herdenmitglied bzw. Leitziege langsam zu akzeptieren und benimmt sich. 



Sue schickt mich dann von 10.45-12.15 Uhr in die Scheune zum weiter Aufräumen. Damit kommt sie mir 15 Minuten entgegen. Sie hat also wohl heute Morgen gemerkt, dass ich länger gebraucht habe und zwar, weil ich beim Schneckensammeln gründlich war, nicht langsam. Wir verstehen uns immer besser. Sie sagt, was sie denkt und sie muss tough sein, um das hier allein zu stemmen und hat viele Wwoofer, um alles bewältigen zu können. Ich vermute, dass sie am Anfang immer eher strikter ist und dann ggf. nachgibt, wenn sie merkt, dass man gut arbeitet. Beim Mittagessen reden wir über Altenheime. Sie organisiert die Pflege ihrer Eltern in deren Zuhause mit 7 verschiedenen Frauen, die abwechselnd in Schichten 24/7 betreuen. Über Pflegeheime kommen wir auf’s Thema (mangelnde) Nächstenliebe. Das sei ja das Zentrum des Christentums. Ich korrigiere sie, denn das ist nicht das erste Gebot. Das erste Gebot lautet: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben.“ Und danach deinen Nächsten und dich selbst. Und es geht auch in erster Linie nicht um gute Taten (Werksgerechtigkeit), sondern um Glauben. Aus dem dann die guten Werke resultieren. Aber der Glaube steht an erster Stelle. Ich glaube, das wäre auch mal eine interessante Frage an Passanten und Christen: Was ist die Kernbotschaft des Christentums und das höchste Gebot? Ich frage mich, wie oft wohl Nächstenliebe genannt würde. Sue scheint auch nicht allzu viel von der Bibel zu halten, obwohl sie sonntags in die Kirche geht. Die sei ja von Menschen geschrieben und wieder und wieder übersetzt worden. Das sehe ich anders. Für mich ist sie Gottes Wort. Von ihm inspiriert aufgeschrieben von Menschen einer anderen Zeit und Kultur, weshalb Manches Einordnung und Interpretation braucht, aber dadurch nicht an Relevanz und Wahrheit verliert. Im Grunde ist sie die Aufzeichnung von Gottes Liebesgeschichte. Inklusive gebrochenen Herzen, Trennung, unerwiderter Liebe und Versöhnung. Sie ist aber nicht nur Liebesgeschichte, sondern auch Lebensratgeber. Im Prinzip findet man in ihr alles, was man für ein zufriedenes und erfülltes Leben braucht. In jeder Lebenslage kann Gott durch sie zu uns sprechen und ihre Wahrheit veraltet nicht. Ja, sie ist missbraucht und instrumentalisiert worden und wird es leider teilweise immer noch. Aber das ändert nichts daran, was sie ist. Wir hören ja auch nicht auf, Messer zu benutzen, um Dinge zu schneiden, weil manche Menschen sie als Waffe gegen andere einsetzen. Dann muss Sue zu einer Beerdigung und ich spüle und fege. Sue hat zwar auch einen Staubsauger, aber den hält sie für einen lauten und ineffizienten Stromfresser. Mir wäre es lieber, er würde etwas Strom und Staub fressen, als dass das Fegen an meinen Nerven nagt. Ich finde Fegen nämlich nervig und ineffizient. Man muss zigmal über dieselbe Stelle und nachher hat man den Staub doch nur von rechts nach links geschoben und es bleibt immer was am Boden liegen… Na ja, ihr Wunsch sei mir Befehl. Danach hab ich frei bis zur Fütterung um 17 Uhr. Heute probiere ich bei Boudicca die Reihenfolge grasen, dann Futter und lasse den Eimer außer Sichtweite im Stall. Funktioniert gut, das werde ich so lassen. Gestern wollte sie nämlich die ganze Zeit zurück, weil sie das Futter schon gesehen hatte. Außerdem weiß ich jetzt, dass der Trick ist, so wenig  Zeit bei ihr drin zu verbringen wie möglich. Sonst kommt sie nämlich auf dumme Gedanken und will mit mir Ziege spielen – sprich, mir die Hörner gegen’s Bein rammen. Sue ist abends meistens arbeiten. Zum Abendessen kombiniere ich heute Reis mit Linsen und dazu Turnip, Kale, Spinat mit Curry. Schmeckt gut. Um 20.30 Uhr sammle ich Schnecken, unterbrochen vom schönen Sonnenuntergang, den ich fotografieren muss. 




Abends sind es immer weniger Schnecken als morgens. Außerdem töte ich 6 squash beetles, die in den Blüten sitzen. Dann schlafe ich wie meistens zum Kampflärm von Game of Thrones ein, das Sue wohl immer zum Einschlafen guckt. Ich habe die Serie noch nie gesehen und habe es auch nicht vor. Es klingt sehr gewalttätig.

Sonntag, Ruhetag. Vor 7 Monaten bin ich aus Konstanz weggezogen und in 5 bin ich wieder in Deutschland. Morning Routine – heute zum ersten Mal ganz alleine. Es ist ein wunderschöner, klarer und sonniger Morgen. Die Routine geht mir auch schon schneller von der Hand. Sue entschuldigt sich dafür, was sie gestern über die Bibel gesagt hat. Das sei mir ja scheinbar wichtig. Ich hatte mich gar nicht angegriffen gefühlt. Sie hat ja nur ihre Meinung dazu gesagt und ich meine. Ich gieße, gehe mit Boudicca spazieren und miste den Stall aus. Um 10.30 Uhr fahren wir zur St. Andrews Presbyterian Church. Wieder eine andere Denomination. Sue singt im Chor und macht die Blumendeko. 




Ich werde sehr nett begrüßt, auch vom Reverend von der Kanzel. Außer mir sind noch 6 (3x2) Besucher aus verschiedenen Teilen der USA da. Der Gottesdienst gefällt mir gut. Der Titel der Predigt ist "God has no favourites". Im Anschluss gibt es einen Snack und Tee, bei dem ich mich mit mehreren Gemeindemitgliedern unterhalte. Cathleen ist eine ältere Dame. Sie erzählt, dass sie hergezogen ist, um bei ihren drei jüngeren Geschwistern zu sein, die alle leider in der Zwischenzeit verstorben sind. Ihre Kinder und Enkelkinder wohnen woanders. Sie sagt, sie fragt sich manchmal, warum sie noch da ist. Dann sagt sie, sie gehe jetzt nach Hause, nichts tun. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass sie sehr wohl etwas tut. Anlässlich des 150. Kanada-Jubiläums strickt sie 150 Teile für gute Zwecke, von denen sie die Mehrheit schon fertig hat. Daraufhin sage ich ihr, dass ich jetzt weiß, warum sie noch da ist :) Ein schöner Vormittag. Sue fährt dann zu einer Bekannten, um mit ihr über die Veröffentlichung ihrer Kurzgeschichte „Forbidden Books“ als Ebook zu sprechen. Ich bleibe zuhause, lese, beantworte Nachrichten und lege mich in die Hängematte auf der Terrasse. Aus der Kirche habe ich die Gemeindezeitung mitgenommen und entscheide mich, die 10% meiner Nebenkostenrückerstattung an die Canadian Foodgrains Association zu spenden. Die kanadische Regierung verfünffacht die Summe. Sue geht arbeiten und ich gehe mit Boudicca und den Hunden auf der Weide spazieren. Ich hätte meine Kamera mitnehmen sollen, das wären tolle Fotos geworden. Die Sonne fällt wunderschön durch eine kleine Sonnenblume. Im nächsten Moment wird sie von Boudicca gefressen.
Ich habe erfahren, dass Hana nächste Woche nicht auf der Birch Burn Farm sein wird und ich deshalb, anders als gedacht, in den 3 Tagen Lücke in meinem Plan nicht zu ihr kann. Stattdessen frage ich bei Anne-Charlotte an, ob ich eventuell noch ein Wochenende bei ihnen verbringen darf. Ich darf. Wie schön, da freu ich mich drauf.

Gestern und heute habe ich über facebook von so vielen tragischen Toden gelesen. Chester, der Leadsänger von Linkin Park, hat sich mit 41 Jahren das Leben genommen. Nach einem Leben, dass zuerst von Missbrauch, Drogen und Alkohol, dann von Berühmtheit und Depression geprägt war. Wenn man die Lieder der Band mit diesem Hintergrundwissen hört, kann man kaum verstehen, wieso es so weit kommen konnte. Jedes einzelne ist im Prinzip ein Hilfeschrei. Von Millionen gehört und doch unbeantwortet. Jesus wäre seine Antwort gewesen. Um die „wounds that won’t heal“ zu heilen und “somewhere I belong“ zu sein. Ich frage mich, ob er jemals mit der guten Botschaft in Kontakt gekommen ist. Und wie vielen anderen es genauso geht. Das macht mir nochmal klar, wie wichtig es ist, sie zu teilen, denn sie ist Leben und kann Leben retten. Auch wenn mir das oft nicht leicht fällt. Aber können wir zulassen, Menschen zu begegnen, ohne ihnen diese Hoffnung zumindest ein Stück nähergebracht zu haben? Mir geht es dabei nicht so sehr um das ewige Leben, sondern vor allem um das Hier und Jetzt. Das Böse ist wahrhaft ein Teufelskreis. Ein Mensch erfährt Böses und gibt es bewusst oder unbewusst weiter. Can the (vicious) circle be unbroken? Yes, he can break it. Good news indeed!

Montag. Morning Routine. Es ist wieder ein wundervoll sonnig-goldener Morgen. Aus meinem Fenster sehe ich die Hügel im Dunst des Morgens liegen.



Da macht es Spaß rauszugehen, selbst wenn es so früh ist. Manchmal kann man morgens einen Vogel rufen hören. Es klingt, als würde er „Hello“ rufen. Ich rufe „Hello“ zurück. Ich fühle mich schon ziemlich routiniert und farmer-mäßig. Anders als anfangs gedacht, habe ich mich auch hier gut eingelebt und fühle mich jetzt auch wohl. Im Grunde erledige ich hier, glaube ich, die Aufgaben einer Magd. Nur weniger und nicht so hart. Meine Oma hat als junge Frau, als Magd auf dem Hof meines Großvaters gearbeitet. Kein einfaches Leben. 
Meine Jeans ist inzwischen auch an beiden Knien aufgerissen und damit endlich stylish. 


Wir frühstücken wieder zusammen auf der Terrasse. Dann ist gießen, misten und der goat walk dran, während Sue mit den Hunden spazieren geht. Ich nehme heute zum ersten Mal die Leine nur mit und lege sie nicht an. Klappt gut. Zusammen mit Sue gehe ich dann in den Stall und bürste Nemo. Danach siebe ich Kompost für ein neues Beet und sortiere kranke Basilikumpflanzen aus dem Gewächshaus aus. Dabei erzählt mir Sue, dass der erste Besitzer der Farm damals aus Liebe überkonfessionell geheiratet hat. Im 19. Jahrhundert ein Skandal. Sie sind zusammen durchgebrannt, samt Flucht und Verfolgung im Boot. Nach der Arbeit fahren wir zum Fluss. Sue schwimmt, aber mir ist das Wetter nicht warm genug. Es ist richtig schön warm, aber nicht so, dass ich Abkühlung bräuchte. Ich bin einfach nicht die größte Wasserratte. Nach dem Mittagessen (meistens Salat aus dem Garten) wasche ich, beantworte Nachrichten und korrigiere Lukas Masterarbeit. 


Beim abendlichen goat walk versuche ich es wieder ohne Leine, aber diesmal ist Boudicca zickig. Einmal steigt sie, aber ich drehe mich einfach um und gehe weiter. Dann entwischt sie unterm Zaun durch. Ich hatte die Leine vorsichtshalber dabei. Wird sie halt wieder angelegt und wir grasen, wo ich will. Zurück folgt sie mir wieder ganz brav und ich nehme die Leine für die letzten Meter wieder ab. Irgendwie kann ich sie ja verstehen. Da kommt alle paar Tage jemand neues daher und will bestimmen, wo's langgeht. Vielleicht wäre ich da auch zickig. Woher soll sie auch wissen, dass ich sie an eine Stelle bringen will, von der ich weiß, dass da Pflanzen wachsen, die sie mag. Die Slugpatrol geht relativ schnell. Ich habe das Gefühl, das Absammeln zahlt sich aus und es werden immer weniger. Dann schnappe ich mir schnell die Kamera für den Sonnenuntergang. Ich gehe dafür auf die Weide. Kurz darauf kommt Nemo auf mich zugetrabt. Ich habe kurz etwas Angst. Die anfängliche Beißwarnung hab ich nicht vergessen, auch wenn ich bisher noch kein Problem mit ihm hatte. Wenn er die Ohren anlegt, lass ich ihn einfach in Ruhe. Von Buddy halte ich mich lieber fern, der schnappt sogar nach Sue. Beide Pferde wurden leider früher von Besitzer herumgereicht und teilweise auch misshandelt, bis Sue und ihr Mann sich ihrer angenommen haben. Hier haben sie dann den Pflug, die Kutsche oder den Schlitten gezogen. Jetzt sind sie in Rente und leben das süße Pferdeleben. Ich bleibe ganz ruhig und spreche mit ihm, als er auf mich zukommt. Er grast neben mir und folgt mir zurück, als ich wieder zum Haus gehe. Schon erstaunlich, wie ich nach nur ein paar Tagen damit umgehen kann. Im Umgang mit Tieren kann man wirklich einiges lernen. Vor allem auch sich durchzusetzen und sicher aufzutreten.





Dienstag ist der erste Morgen, an dem ich im Regen raus muss. Aber es gibt ja Regenklamotten und Gummistiefel. Und dadurch fällt heute das Gießen weg. Goat graze und Stall misten aber nicht. Rain or shine, work needs to be done. Durch den Umgang mit der Ziege und meine Hüte-Aufgabe lerne ich einiges über das biblische Bild des Hirten. Und uns bockige oder zickige Ziegen. Irgendwo kann ich sie ja verstehen. Da kommt alle paar Wochen jemand neues an und meint sie durch die Gegend zerren zu müssen und lässt sie nie die leckeren Gräser und Blumen hinter dem Zaun fressen. Dabei versuche ich sie ja nur an andere Stellen zu bringen, von denen ich inzwischen weiß, dass da Gräser und Pflanzen wachsen, die sie gern mag. Aber das weiß sie natürlich nicht, auch wenn ich es ihr sage. Man wird schon ein wenig banane, wenn man die ganze Zeit von Tieren umgeben ist. Ich zumindest. Oder sie bringen es nur zum Vorschein. Ich rede manchmal so einen Quatsch mit ihnen. Ich frag mich, was die sich dabei denken :D Nächste Woche hab ich Schafe, das wird bestimmt auch nochmal ein paar Einblicke geben. Danach räume ich mit Sue Kisten ins Auto. Dabei fängt mein Finger an richtig weh zu tun. Langsam frage ich mich, ob ich nicht doch mal zum Arzt muss. Aber Sue meint, sie hatte mal ne ähnliche Verletzung und das hätte mehrere Monate gedauert. Und ihr Arzt meinte, sie solle ihn bewegen, auch wenn’s weh tut. Ich arbeite dann trotzdem nur noch mit links. Bisher habe ich ja alles gemacht, was sie gesagt hat und dabei so getan, als wäre er völlig ok. Ist er aber leider noch nicht. Die  nächsten 2 Stunden verbringe ich dann damit Kürbiskerne aus der Hafer-Mais-Körnermischung zu sortieren. Sue hatte sie untergemischt, aber seitdem frisst Boudicca es nicht mehr. Zum Glück hatte ich die Idee zu sieben und Sue findet auch ein Stück Maschenzaun, dessen Maschen ziemlich genau die richtige Größe haben. Es ist trotzdem langwierig. Problemlösungs- und Prozessoptimierungsskills kann ich jetzt meinem Lebenslauf hinzufügen. Diese Sortieraufgabe könnte mich ziemlich nerven. Ich könnte sie als ziemlich sinnlos ansehen. Nur weil die verwöhnte Ziege die Kürbiskerne nicht mag. Ich sehe es aber unter dem Aspekt, dass ich Sue damit Arbeit abnehme. Wenn ich es nicht mache, müsste sie es machen. Dann ist es auch egal, wie blöd einem die Aufgabe erscheint, wenn man jemandem damit hilft und etwas abnimmt. 


Abends höre ich Radio CBC2, The Signal, von 22 bis 0 Uhr, mit richtig guter Musik – ein paar Künstler kenne ich und einige gute neue lerne ich dadurch kennen. Das stürzt mich ins Dilemma – weiter Musik hören oder schlafen? Nachdem ich herausgefunden habe, dass man die Playlist online nachschauen kann, entscheide ich mich dann doch für’s Schlafen. Ich merke, dass mein Biorhythmus einfach anders ist. Um 22 Uhr schlafen gehen und um 6 Uhr aufstehen passt mir halt schon weniger, als wenn alles 2-3 Stunden nach hinten verschoben ist. 

Mittwochmorgen fährt Sue nach Baddeck – sie hat heute ihren freien Tag. Es ist wieder ein schöner Sommertag. Nach Morgenroutine und Frühstück  habe ich für heute folgende Aufgaben: säen (ich hab vergessen was), im Garten die Wege jäten, Basilikum von der Terrasse zurück ins Gewächshaus stellen, Moskitogitter abdichten, Lindenblüten pflücken. Wenn dann noch Zeit ist Erde sieben und Körner sortieren. Mehr als genug Aufgaben. Zeit war keine mehr zum Erde sieben und Garten fertig jäten und auch die Körner habe ich nicht komplett durchgesiebt. Um 12.30 Uhr gibt’s Mittagessen. Sue hat mir ein Körnerbrötchen, Mandelkuchen, eine Avocado, Äpfel und Erdnussbutter mitgebracht. Dann fahren wir wieder an den Strand, bei „Little River“ am Cabot Trail, wo wir Freundinnen von Sue treffen. Die Wellen sind heute, anders als beim letzten Mal echt hoch. Sue und ihre Freundin Martine, gehen sofort ins Wasser. Ich bleibe erstmal mit meinem Buch am Strand, bis es mir zu heiß wird. Vorsichtig reinlaufen und abkühlen, geht mit den Wellen heute nicht, aber wenn man einmal nass ist, ist es echt angenehm, obwohl viele Algen rumschwimmen. Am Ende bin ich unaufmerksam und eine Welle erwischt mich seitlich und knallt gegen meinen Kopf und in mein Ohr. Ich fühle mich leicht desorientiert und beschließe lieber rauszugehen. Mein Hinterkopf fängt an weh zu tun und dann bemerke ich auch noch einen Ausschlag – wie von Brennesseln – an Bauch, Armen und Oberschenkeln. Jetzt bin ich doch etwas beunruhigt und sage den beiden bescheid, die es sich aber auch nicht erklären können. Sonnenallergie? Algen? Zum Glück geht es nach einiger Zeit wieder weg. Später erfahre ich, dass es wohl ein „Cold Rash“ war – quasi eine allergische Reaktion des Körpers auf das kalte Wasser. Noch nie gehört, noch nie gehabt und so kalt fand ich es eigentlich auch nicht… Wir machen dann einen Spaziergang am Strand entlang bis zu einem kleinen Fluss. 







Ich unterhalte mich Martine, die Linda, Terry und Richard kennt. Ihr Ex-Mann ist mir ihnen befreundet. Ich hatte sie von ihm reden hören, habe ihn aber nicht kennengelernt. Dann reden wir noch über unsere unterschiedlichen Glaubensansichten. Sie meint, im Grunde wäre doch die Grundbotschaft aller Religionen Liebe und der jeweilige Gott oder die Götter würden lieben… Auf dem Rückweg holen wir noch eine Schubkarre und Eier ab. Dabei hören wir U2 1980-1990 und singen bei offenen Fenstern laut mit. Ich füttere Boudicca, Sue übernimmt den Rest. Sie sagt, so spät war sie noch nie mit dem füttern. Dann ist es auch schon Zeit für die Slug Patrol. Ich rede inzwischen auch mit den Schnecken und stelle mir vor, wie ich sie aus ihrem Kürbisblüten-Abendessen reiße. Zum Abendessen mache ich mir heute Süßkartoffel mit Beetgreens, Zwiebeln und Ei. Gute Kombination.

Donnerstag, Morgenroutine wie gewohnt. Von 8-11 Uhr arbeite ich: gießen im Garten, Stall misten, Goat walk, Lindenblüten pflücken und fertig jäten. Boudicca ist heute wieder zickig. Einmal macht sie Anstalten mich zu rammen, was ich aber schnell unterbinden kann. Ich glaube, ich habe inzwischen verstanden, wie sie in etwa tickt und wie ich ihren Launen aus dem Weg gehen kann. Nach dem Mittagessen fahren wir um 12 Uhr zu einem verlassenen Stück Land, dessen Gebäude und Gärten langsam verwildern und überwuchern. Schade, es ist wirklich ein richtig schönes Grundstück. Wir pflücken dort eine Stunde lang schwarze und rote Johannisbeeren, die Sue dann einfriert als Snack für den Winter. 


Im Anschluss fahren wir nach Baddeck ins Seniorenheim "Alderwood". Dort findet ein Gottesdienst statt, den 6 Damen des Chores aus der Presbyterian Church musikalisch mitgestalten. Ich gehöre heute dazu. Die Liederbücher enthalten Noten, sodass ich vom Blatt mitsingen kann - eine Probe gab's nicht. Das einzige Lied ohne Noten wird auf die Melodie "Glory, glory, hallelluja" gesungen. Ich habe meine Gitarre mitgebracht und singe vor der Predigt meinen Song "You remain". Die Hälfte der anwesenden Heimbewohner döst während der Predigt weg, die meisten wurden hergeschoben. Das ist schon ein trauriger Anblick und macht nachdenklich wenn man sieht, wie diese Menschen, die sicher faszinierende Lebensgeschichten haben, heute leben. Ich hoffe, mit der Musik konnten wir zumindest ein wenig Freude und Leben bringen. Wir haben keine Zeit zum Tee zu bleiben und fahren zurück zur Farm. 








Meinem Rezept von gestern füge ich für's Abendessen heute farbenfroh noch gelbe Zucchini und Erbsen aus dem Garten hinzu. Sue ist arbeiten. Ich spüle und suche Schnecken - heute finde ich kaum welche. 



Der Abendhimmel hier ist toll, wie ein Aquarell und jeden Abend anders. Wenn man hier wohnt, braucht man keine Gemälde, nur große Fenster.

Freitag ist auch schon wieder mein letzter Tag auf der Mountain Meadow Farm und 1/3 meiner Kanada-Zeit (74 Tage) sind rum. Ich bin nicht sicher, ob ich das viel oder wenig finde ... Die Slug Patrol ist morgens so schnell wie noch nie, ich finde kaum welche. Heute liegt auch kein Tau auf den Pflanzen, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang. Meine erste Aufgabe ist den ganzen Garten zu gießen. Danach gehe ich mit Sue in den Stal, miste und bürste Buddy. Dann folgen 30 Minuten Goat walk - mein letzter, wobei ich das da noch nicht weiß. Nach den anfänglichen Vorbehalten war es tatsächlich eine ziemlich coole Aufgabe, vor allem morgens und abends im Sonnenschein durch die wunderschöne Blumenwiese zu laufen. Wirklich vermissen werde ich es aber trotzdem nicht ;) Sue fährt zu ihrer Art class und ich werde mit dem Putzen der unteren Etage beauftragt. Alles ausklopfen und -bürsten, saugen, Staub wischen. Ich brauche bis ca. 11 Uhr und hört währenddessen das BBC-Hobbit-Hörspiel, dass ich in Sues CD-Sammlung gefunden habe. Die Musik-Stücke am Ende von David Munrow höre ich noch zig Mal, die gefallen mir echt gut. Bis um 13 Uhr siebe ich dann auf der Terrasse noch Kürbiskerne aus. Ich hatte nochmal Sues Profil gelesen und dabei gesehen, dass da was von einem Wasserfall auf dem Grundstück steht. Nachmittags machen wir dann einen Spaziergang dahin, samt Hunden und Ziege. Sue hat echt viel Land - 200 Hektar. Und darauf befindet sich auch ein Wasserfall. Ich wusste bisher wohl nicht, dass man einen Wasserfall besitzen kann. Er ist wundervoll.










Sue geht schon wieder zurück und ich bleibe noch, klettere ein wenig rum, mache Fotos und genieße die Schönheit. Nach der letzten evening routine dem Abendessen ist es dann Zeit zu packen.



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